Salonboot TUGENIA (1904)

Das vielleicht älteste Salonboot auf dem Zürichsee

2024 ist das elektrische Salonboot TUGENIA 120 Jahre alt. Sie ist unseres Wissens das älteste Salonboot auf dem Zürichsee und eine stolze, letzte Vertreterin der Plaisierboote aus der Jahrhundertwende. TUGENIA ist relativ gut erhalten und wurde in ihrer ganzen Geschichte nie stark umgebaut oder «modernisiert». Sie ist damit einer der letzten Zeitzeugen aus der Zeit, als die Region Zürich das Mekka des europäischen Bootsbaus darstellte. Initiiert durch Escher, Wyss und Cie. in Zürich entwickelte sich ab ca. 1880 das Interesse vermögender Bürger an der privaten Schifffahrt. Escher, Wyss und Cie. bauten viele Holz- und Aluminiumboote, angetrieben von Segeln oder von Naphta-Motoren. Wer in Europa Rang und Namen hatte und sich ein Boot für den Privatgebrauch wünschte, klopfte in Zürich an.

Naphta-Motoren waren klassischen Dampfmaschinen vergleichbar, statt Wasser wurde aber Benzin verdampft. Diese Motoren waren Dampfmaschinen zwar überlegen, weil aber bei einem Leck Benzin austrat, explodierten oder brannten die meisten dieser Boote früher oder später ab. Darum sind keine Boote aus dieser Zeit erhalten. Mit dem Erfolg von Escher, Wyss und Cie. engagierten sich auch kleinere Werften für den Bau von Plaisierbooten. Eine von ihnen war die Werft von Johannes Faul, der nach Abschluss seiner Bootsbauerlehre seinen Lehrbetrieb in Zürich-Riesbach übernehmen konnte und auf eigene Rechnung weiterbetrieb. Um 1900 zog die Firma ein erstes Mal um nach Zürich-Wollishofen, wo J. Faul auf dem Gelände der heutigen ZSG-Werft seine neue Werft eröffnete. Schon 1914 zog es ihn weiter nach Horgen, wo er auf einem viel grösseren Gelände nicht nur eine Bootsbauerei, sondern auch eine Autowerkstatt einrichtete. Die Yachtwerft Faul AG in Horgen besteht heute noch und wird in 4. Generation als Familienbetrieb geführt.

TUGENIA ist eine echte Züricherin aus Wollishofen

Johannes Faul baute das Salonboot TUGENIA 1904 in Zürich-Wollishofen. Die Jubilarin ist also eine waschechte Stadtzürcherin. Die Geschichte des Salonbootes TUGENIA liegt weitgehend im Dunkeln. Ziemlich sicher belegt sind folgende Fakten:

Gebaut in der Werft von Johannes Faul in Zürich-Wollishofen im Jahr 1904 als typisches Plaisierboot von 10.00 m Länge und 2.00 m Breite in einer Zeit, als man weder in der Sonne noch im Wasser badete und auf Schiffen auch nicht übernachtete. Solche Boote dienten für Rundfahrten der Herrschaften, ab den Bootshäusern ihrer Villen am See. Man war im Sonntagsstaat unterwegs und hatte wohl ein Picknick dabei.

Unsicher, aber wahrscheinlich ist, dass das Boot als Elektroboot gebaut wurde. 1904 hatten Elektromotoren die Naphta- und Dampfmaschinen abgelöst und waren günstiger als die ganz neuen Verbrennungsmotoren, die langsam auf den Markt kamen.

Später wurde TUGENIA durch verschiedene Verbrennungsmotoren angetrieben, zuletzt mit einem Chrysler Typ 6M46 6-Zylinder-Benzinmotor und erst 2005 wieder auf Elektroantrieb umgerüstet.

Das Schiff wiegt 2300 kg und ist mit 24 Bleibatterien ausgerüstet, mit einer Kapazität von 4h Fahrt.

Leider ist nicht bekannt, wer TUGENIA bei J. Faul in Auftrag gegeben hat und auf welchem See sie zuerst im Einsatz war. Bekannt ist hingegen, dass sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf dem Vierwaldstättersee unterwegs und in Privatbesitz der Familie Helmling in Luzern war. Gepflegt wurde das Schiff in dieser Zeit durch die SNG-Werft in Luzern.

Zu Beginn der 2000er Jahre konnte der Zürcher Schiffshändler Leo Ullmann das Schiff kaufen und nach Umrüstung auf Elektroantrieb einem bekannten Stadtoriginal verkaufen. Das Stadtoriginal, im Winter als Marronistand-Betreiber am Paradeplatz tätig, betrieb TUGENIA ab 2021 als Taxiboot mit einer entsprechenden Zulassung und einem städtischen Liegeplatz im Hafen Riesbach. Die auf alte
(Holz-)Boote spezialisierte Werft Farner & Stierlin in Schwerzenbach betreut TUGENIA seit 2011 im Winterlager und hält das Boot fachgerecht in Stand.

Das Baur au Lac ermöglichte der Stiftung den Kauf

Im Winter 2022/2023 erfuhr die Stiftung Historische Zürichsee Boote von den Verkaufsabsichten des Eigners. Nach längeren Verhandlungen und mit grosszügiger Unterstützung des Hotels Baur au Lac konnte die Stiftung HZB die «TUGENIA Taxiboot GmbH» und das Salonboot mit allen nötigen Bewilligungen und dem Standplatz im Hafen Riesbach übernehmen und als Taxiboot weiter betreiben. Da die Stiftung HZB die GmbH zu 100% besitzt und selbst gemeinnützig und steuerbefreit ist, kommen allfällige Erträge aus dem Taxibootbetrieb dem Stiftungszweck zugute. Die Kapitäne, welche TUGENIA steuern, sind alle Aktivmitglieder des Oldtimer Boot Clubs Zürichsee und fahren ehrenamtlich. Heute ist TUGENIA als «kleines Fahrgastschiff» für 12 Gäste plus Kapitän zugelassen. Die Reichweite der vollgeladenen Blei-Batterien beträgt mindestens 4 Stunden bei der Maximalgeschwindigkeit von rund 10 km/h. Das bedeutet konkret, dass ab Zürich eine Fahrt nach Männedorf und zurück möglich ist. Oder Rapperswil retour mit Nachladen im Hafen Rapperswil. Dank einer neuen Badeleiter im historischen Look ist auch Baden mitten im See möglich.

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Der Salon von TUGENIA bietet Platz für 8 Gäste
Der Salon von TUGENIA bietet Platz für 8 Gäste